Getötetes Mädchen in Wunsiedel Ermittler gehen derzeit nicht von Sexualdelikt aus

, aktualisiert am 06.04.2023 - 13:28 Uhr

Das Verbrechen ereignete sich in einer Kinder-und Jugendhilfeeinrichtung. Die Polizei bildete eine Sonderkommission. Bei den Ermittlungen geraten zwei Buben und ein 16-Jähriger in den Fokus der Polizei. Hintergründe oder weitere Details sind noch völlig unklar. Die Ermittlungen dauern an.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Entsetzen in Wunsiedel: Allem Anschein nach ist in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in der Kreisstadt ein zehn Jahre altes Mädchen getötet worden. Am Dienstagmorgen kurz vor 9 Uhr finden Erzieher der katholischen  Einrichtung das Kind in einem Zimmer. Der sofort alarmierte Rettungsdienst kann nur noch den Tod des Mädchens feststellen. „Nach derzeitigem Ermittlungsstand gehen wir von einer unnatürlichen Todesursache durch Einwirkung Dritter aus“, sagt der Hofer Staatsanwalt Matthias Goers auf Nachfrage unserer Zeitung am Mittwoch. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft haben eine rechtsmedizinische Untersuchung des toten Kindes veranlasst. Am Donnerstag bestätigen Staatswanwaltschaft und Polizei gemeinsam: Es laufen nun Ermittlungen wegen Verdachts eines Tötungsdeliktes.

Die Ereignisse wecken schreckliche Erinnerungen an das Verbrechen vor wenigen Wochen in Freudenberg in Nordrhein-Westfalen. Dort hatten zwei unmündige Mädchen  eine 13 Jahre alte Schülerin ermordet. Die Parallele zum Fall in Wunsiedel: Zwei Jungs, jeweils elf Jahre alt, und ein 16-Jähriger gerieten in den Fokus der Ermittler. Allerdings wollte die Polizei nicht bestätigen, dass sie der Tat verdächtig sind. Ganz im Gegenteil: Am Donnerstag teilen Staatsanwaltschaft und Polizei gemeinsam mit: Es richtet sich kein konkreter Tatverdacht gegen eine oder mehrere Personen. Folglich befindet sich auch kein Beschuldigter in Gewahrsam. Des Weiteren kann die Kripo Mutmaßungen hinsichtlich eines möglichen Sexualdeliktes derzeit nicht bestätigen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte am Mittwoch eine schnelle Aufklärung der Tat. „Diese Tat lässt mich fassungslos zurück“, sagte er.

Weitere Angaben zu den Umständen der Tat und möglichen weiteren  Verdächtigen wollen mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen  weder der Staatsanwalt noch Polizeisprecherin Julia Küfner machen. In der seit 119 Jahren bestehenden Einrichtung betreuen die Erzieher und Sozialpädagogen um die 90  Kinder und Jugendliche in voll- und teilstationären Gruppen. Die Bewohner stammen überwiegend aus schwierigen Familienverhältnissen aus ganz Deutschland, die im beschaulichen Wunsiedel mit einer liebevollen Erziehung auf das Leben vorbereitet zu werden sollen. Während der Ferien sind die Gruppen in aller Regel nicht voll belegt – einige Kinder befinden sich auf organisierten Freizeiten, dennoch ist ein Großteil anwesend, so wie das getötete zehn Jahre alte Mädchen.

Wie viele Kinder und Jugendliche sich am Tattag  in den über ein weitläufiges Gelände verteilten Wohnbauten befanden, konnte die Polizei nicht sagen. Aber zumindest einige waren am Mittwochvormittag anwesend. Immer wieder verließen Grüppchen mit überwiegend Mädchen die Anlage über den Ausgang vom Garten aus. Auch Erzieherinnen waren anwesend und hatten ein Auge auf ihre Schützlinge. 

Umfangreiches Betreuungsangebot

Um die anwesenden jungen Bewohner der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung als auch um das Personal kümmern sich neben speziell geschulten Polizeikräften ebenso Notfallseelsorger und Psychologen. Für die weitere Arbeit steht die polizeiliche Betreuungsgruppe außerdem im engen Austausch mit den zuständigen Behörden und Einrichtungen.

Am Dienstag und Mittwoch suchten die Beamten  der Kriminalpolizei nach weiteren Spuren. Es sei üblich, dass nicht nur der Tatort selbst, sondern auch das  weitere Umfeld untersucht werde, sagt Staatsanwalt Goers. Umfassende Befragungen, auch im sozialen Umfeld des Opfers, finden derzeit statt. Außerdem werden alle Personen überprüft, die sich vor und zum Zeitpunkt des Auffindens des Leichnams in dem Gebäude der Einrichtung aufgehalten haben. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass sich jemand unberechtigt von außen Zutritt zur Einrichtung verschafft hat.

Die Kripo bildete bereits kurz nach Bekanntwerden der Tat die Soko Park. Die Sonderkommission, die sich aus über 40 Einsatzkräften mehrerer Polizeidienststellen zusammensetzt, führt auch am Donnerstag noch umfangreiche Spurensicherungsmaßnahmen auf dem Gelände der Einrichtung durch. Außerdem werden erste Spuren auch in enger Zusammenarbeit mit der Rechtsmedizin und dem bayerischen Landeskriminalamt ausgewertet. Unterstützung bei der weitläufigen Absperrung rund um den Tatort erhalten die Ermittler zudem von der bayerischen Bereitschaftspolizei.

Aus welchem Ort  das getötete Kind stammt, wollte die Polizei am Mittwochmittag nicht mitteilen, ebenso wenig, ob dessen Eltern bereits vor Ort  waren.  Außer den Beteuern der Jugendhilfeeinrichtung kümmern sich jetzt auch Psychologen und Notfallseelsorger um die Kinder. Die Vernehmungen des Personals und der Bewohner dauerten auch am Mittwoch noch an.  

Das mutmaßliche Gewaltverbrechen sprach sich am Mittwoch innerhalb von wenigen Stunden herum. Am Dienstag hatten die Behörden die Nachricht von dem Todesfall zurückgehalten, damit die Vernehmu

ngen und die Spurensuche nicht behindert werden. Tags darauf sind mehrere Dutzend Bereitschaftspolizisten in Mannschaftstransporter  in der Kemnather Straße, unweit der Jugendhilfeeinrichtung positioniert. „Wir erwarten ein großeres Medienaufgebot und wollen, dass alles kontrolliert abläuft“, sagt Polizeisprecherin Julia Küfner.  

Autor

Bilder