70 Prozent der Vermissten seien Männer, männliche Jugendliche oder Jungen. Verschwunden sind den Angaben zufolge 1845 Kinder unter 13 Jahren. Unklar sei zudem gewesen, wo sich 3458 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren aufgehalten hätten.
Bis zu 300 Fahndungen täglich
„Täglich werden jeweils etwa 200 bis 300 Fahndungen neu erfasst, etwa die gleiche Anzahl wird wegen Erledigung gelöscht“, teilte die Sprecherin mit. Dem Bundeskriminalamt zufolge klärt sich etwa die Hälfte der Vermisstenfälle innerhalb der ersten Woche auf. Binnen Monatsfrist seien es 80 Prozent der Fälle. „Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, beträgt etwa drei Prozent.“
Laut BKA schwankt bundesweit die Zahl der Vermissten. Die Polizei leite eine Vermissten-Fahndung ein, wenn eine Person ihren gewohnten Lebenskreis verlassen habe, ihr Aufenthalt unbekannt sei und eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden könne. „Bei Minderjährigen, deren Aufenthalt dem Sorgeberechtigten unbekannt ist, wird grundsätzlich von einer Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit ausgegangen.“
Vermisstendatei der Polizei
Immer wieder werden Kinder von Angehörigen oder Fremden mitunter jahrelang eingesperrt und missbraucht. Nur die aufsehenerregendsten Fälle werden publik. In Deutschland werden vermisste Kinder und Jugendliche in der Vermisstenstatistik des BKA und der Kriminalämter der Länder (LKA) erfasst.
Das BKA hat in seiner Vermisstendatei („Vermisste/Unbekannte Tote“/Vermi/Utot) insgesamt 9832 vermisster Personen in Deutschland registriert (Stand 1. Januar 2024). In dieser Zahl sind sowohl Fälle vermisster Personen enthalten, die sich innerhalb weniger Tage aufklären, als auch über viele Jahre/Jahrzehnte Vermisste, deren Aufenthaltsort/Verbleib nicht festgestellt werden konnte.
Ungeklärte Fälle
Am 11. Januar 2024 waren in Deutschland laut BKA – gerechnet ab dem frühesten registrierten Vermisstendatum 1. Februar 1953 bis heute (wobei der „älteste“ registrierte Fall eines vermissten Kindes aus dem Jahr 1957 stammt) insgesamt rund 1800 ungeklärte Fälle vermisster Kinder in der Datei „Vermi/Utot“ erfasst.
Mehr als zwei Drittel dieser Kinder sind demnach unbegleitete Flüchtlinge gehören zu den sogenannten Dauerausreißern/Streunern oder wurden ihren Sorgeberechtigten entzogen.
„Dramatische Fälle, die unaufgeklärt bleiben, bewegen sich im Jahresmittel im niedrigen ein- bis zweistelligen Bereich“, heißt es seitens der Initiative Vermisste Kinder. Die allermeisten Jugendlichen tauchten binnen kürzester Zeit wieder auf. Doch in vielen Fälle tappt die Polizei im Dunkeln.
„Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“
In der Polizeidienstvorschrift (PDV) 389 „Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“ ist genau geregelt, wie bei Vermisstenmeldungen vorzugehen ist: Minderjährige dürfen demnach ihren Aufenthaltsort nicht selbst bestimmen. Bei ihnen wird grundsätzlich von einer Gefahr für Leib und Leben ausgegangen. Wenn erforderlich, läuft eine Großfahndung an.
Reicht das Personal einer Dienststelle nicht aus, wird die Hilfe der Bereitschafts- und Bundespolizei angefordert. Hunderte Beamte durchkämmen dann die Gegend, in der ein Minderjähriger verloren gegangen ist oder vermutet wird.
„Age processing“
Mit modernsten kriminologischen Methoden wird heute nach Vermissten gefahndet. Enorm belastend für viele Familien ist das „Age processing“, ein aus den USA stammendes Fahndungsverfahren: Fotos von dauerhaft vermissten Kindern werden am Computer an das tatsächliche Alter der Verschwundenen angepasst und so ein aktualisiertes Fahndungsfoto erstellt.
Die Eltern sehen ihr vermisstes Kind auf dem Bildschirm älter werden. Sollte das verschwundene Kind nach Jahren tatsächlich noch leben, hätte sich sein Aussehen frappierend verändert.
Spuren im Nichts
In der BKA-Vermisstenstelle wird jedes Schicksal detailliert erfasst. Wenn sich die Spuren im Nichts verlieren, müssen die Ermittler davon ausgehen, dass der Minderjährige verunglückt oder einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.
Manchmal findet man die Leiche. Dann können die Angehörigen zumindest ihr Familienmitglied beerdigen und Abschied nehmen. Einige Vermisste tauchen aber nie wieder auf, weil sie in einem Baggersee ertrunken oder in einem Steinbruch verschüttet worden sind.
Das Bundeskriminalamt schreibt: „Falls eine Vermisstensache nicht aufgeklärt wird, bleibt die Personenfahndung bis zu 30 Jahre bestehen.“ Danach bleibt nur noch die Erinnerung.